In Politik, Gesellschaft und Wissenschaft wird die applikationsbasierte Datenspende zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie kontrovers diskutiert. Die aktuellen Meinungen teilen sich in zwei Lager auf: Während die einen das „Proximity Tracing“ wie in der Corona-Warn-App des Bundes als Schlüsseltechnologie zur Kontrolle der Pandemie ansehen, erkennen andere verschiedene Risiken: u.a. im mangelhaften Schutz der Privatsphäre, Verletzung von Personenrechten, Intransparenz bei der Speicherung sensibler Personendaten, Ökonomisierung klinisch sensibler Daten etc.
Informierte Zustimmung als wichtige Hürde
Eine besondere Hürde stellt dabei die informierte Zustimmung der Nutzer dar. Eine auf Information begründete Zustimmung ist aus ethischer Perspektive jedem anderen Szenario vorzuziehen.
Hierzu müssen Nutzer*innen angemessen und entlang ihres tatsächlichen Bedarfs über Risiken und Gefahren informiert werden. Eine ethisch reflektierte Vorstellung von Informationsgehalt, Darstellung und Prozess einer solchen informierten Zustimmung existiert jedoch nicht. Angesichts des akuten Forschungsbedarfs stellen gegenwärtige Studien, welche aus einer ethischen Perspektive das für und wider von Livetracking im Rahmen der COVID-19 Pandemie diskutieren, entweder keinen empirischen Bezug zur tatsächlichen Situation her oder diskutieren die entstehenden ethischen Probleme bislang auf abstrakter Ebene
Projektziele
Ziel des Projekts ist es, eine ethische Analyse auf der Grundlage einer empirisch fundierten Sensibilisierung vorzunehmen, um zeitnah konkrete Handlungsempfehlungen hinsichtlich des Einsatzes und der Gestaltung von Livetracking-Applikationen zu formulieren.
Das Forschungsprojekt orientiert sich damit am Modell einer empirisch informierten Ethik. Im Kern zielt dieses darauf ab, ethische Handlungskriterien durch ein systematisch erschlossenes Spektrum an methodisch explorierten Kriterien zu informieren und, mit Blick auf das Thema, zentrale Aspekte wie Datenschutz, Transparenz und informierte Zustimmung in einer praxisnahen empirisch-ethischen Prüfung zu synthetisieren. Auf diese Weise sollen im Rahmen eines engen interdisziplinären Austausches einerseits aktuelle Chancen und Risiken hinsichtlich Livetracking identifiziert und diese in einem weiteren Schritt als Bezugspunkte der Erarbeitung einer normativen Empfehlung in Bezug auf die informierte Zustimmung von Nutzer*innen herangezogen werden.
Um dies zu realisieren unterteilt sich das Projekt ELISA in zwei Teilprojekte. Ziel des ersten Teilprojektes ist es, im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie das heterogene Stimmungsbild hinsichtlich der Bewertung und Wahrnehmung von Livetracking-Applikationen im Rahmen der COVID-19 Pandemie zu erfassen. Forschungsziel des zweiten Teilprojektes ist es, die erhobenen Ergebnisse iterativ in den Verlauf der ethischen Analyse zu integrieren, um so eine fundierte Analyse zum Einsatz von Datenspende und Livetracking zu entwickeln. Als normativer Ausgangspunkt werden ethisch relevante Merkmale aus dem Konzept der informierten Zustimmung („Informed Consent“) entwickelt und hinsichtlich der Zustimmung im digitalen Medium der App, sowie vor den Hintergrundbedingungen und Gefahren einer weltweiten Pandemie kontextualisiert.