Konferenzbericht: Krise, Verantwortung und Kontrolle

ELISA-Team veranstaltete interdisziplinären Workshop
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Am 21. Januar veranstaltete das ELISA-Team einen interdisziplinären Workshop mit dem Titel „Krise, Verantwortung und Kontrolle – Praktiken, Technologien und normative Dimensionen des Krisenmanagements in der Coronapandemie“, im Online-Format. Gemeinsam mit 13 weiteren Forscherinnen und Forschern gelang ein fruchtbarer Austausch über unterschiedliche Forschungsprojekte zu den Aspekten technischer Pandemiebekämpfung.

Nach einer Vorstellung des ELISA Projekts von Dennis Krämer, starteten die Workshop-Teilnehmenden in eine angeregte Diskussion und erörterten Überschneidungen zu anderen Projekten. Wie steht es bei Nutzer*innen um das technische Verständnis und wie werden andere Technologien zur Bekämpfung der Coronapandemie verwendet? Sind Faktoren wie das Alter als Barriere für die Nutzung einzuschätzen oder geht es auch um Bildung und biografische Faktoren als problematische Ausschlusskriterien. Wieviel nutzt die Corona-Warn-App am Ende und wie können Ängste und Sorgen der Nutzer*innen in einen kritischen Diskurs integriert werden.

In sechs weiteren Vorträgen wurden im Anschluss unterschiedliche Forschungsperspektiven vorgestellt. Dabei waren Beiträge aus den Bereichen Datenschutz und IT-Sicherheit ebenso wie Untersuchungen weiterer Gesundheitstechnologien aus ethischer Perspektive.

Christine Utz vom Lehrstuhl für Systemsicherheit der Ruhr-Universität Bochum berichtete, welche Faktoren die Nutzungsakzeptanz von Apps in einer Pandemie steigern können. Als spannend erwies sich auch der internationale Ansatz, der Daten aus Deutschland, den Vereinigten Staaten und China verglich.

Im COMPASS Projekt, vorgestellt von Lorina Buhr von der Abteilung für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Göttingen, werden Pandemie-Apps im Rahmen einer repräsentativen Telefonumfrage untersucht. Ziel ist es, eine Plattform für Best Practice Modelle für die Entwicklungen solcher Technologien zu schaffen und für zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein. Die erhobenen Daten bettet das Projekt in das Konzept der Adaptive Governance ein. Der aus der Klimaforschung stammende Ansatz beschreibt einen Handlungsmodus, bei dem die Öffentlichkeit in einer komplexen Situation Entscheidungen treffen muss, die von Unsicherheit geprägt ist. Zukünftig sollen Bevölkerungsumfragen zu diesen Technologien regelmäßig durchgeführt werden, um Handlungsempfehlungen der aktuellen Situation besser anpassen zu können.

Rainer Rehak vom Weizenbaum Institut trennte die auch im Kontext der CWA häufig synonym und missverständlich verwendeten Begriffe „Datenschutz“ und „IT-Sicherheit“. Anders als bei der IT-Sicherheit, wo es darum geht, datenverarbeitende Institutionen vor externen Angriffen zu schützen, steht beim Datenschutz der Schutz der Daten der Bürger*innen im Fokus. In der nachfolgenden Analyse zeigte sich: Die Freiwilligkeit der Nutzung der CWA, die im öffentlichen Diskurs betont wird, ist sehr voraussetzungsreich. Es stellt sich unter anderem die Frage, ob Bürger*innen als Individuen einer Institution wie dem RKI gegenüber eine Einwilligung geben können.

Ein Vortrag zur ethischen Bewertung von Deep Medicine kam von Dr. Giovanni Rubeis von der Abteilung für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Das Projekt sieht die Corona-Pandemie als Chance und Beschleuniger für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland, macht jedoch auch auf die ethischen Probleme von Big Data und Künstlicher Intelligenz aufmerksam. Individuelle Krankheitsnarrative, so zeigte der Vortrag, lassen sich schwer quantifizieren.

Den Menschen in der Corona-Krise nimmt das Projekt „Personengruppen in einer Pandemie“ vom Fachgebiet Techniksoziologie der Technischen Universität Dortmund in den Fokus. Das Team unter der Leitung von Kay Cepera stellte archetypische Personencluster auf Grundlage von Bevölkerungsumfragen vor und entwickelte Empfehlungen, mit denen die Öffentlichkeit an sie herantreten kann, um die Umsetzung von Maßnahmen in der Pandemie zu verbessern.

Jonathan Harth vom Lehrstuhl für Soziologie der Universität Witten/Herdecke bot abschließend spannende Einblicke in die Nutzung von Virtual Reality in einer Zeit, in der keine realen Treffen möglich sind. VR konnte im Jahr 2020 ein deutliches Wachstum verzeichnen, denn Ko-Präsenz wie sie in Video-Kommunikations-Tools wie Zoom geboten wird, reicht dem Menschen im Austausch nicht. Es braucht vielmehr einen körperbasierten Austausch, der über das beschränkte Sichtfeld, das die gängigen online Tools bieten, hinausgeht. VR stellt eine neue Möglichkeit leiblichen Erfahrens dar, das mehr als eine bloße Art zu sehen ist.

Insgesamt bot der Workshop dem ELISA Team und allen anderen Teilnehmenden eine gelungene Möglichkeit, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, sich auszutauschen und zu vernetzen.


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Letzte Änderung: 10.07.2020 | Ansprechpartner/in: Inhalt & Technik